Reisebericht Tunesien

Djerba/Tunesien, 27. 09. 2005

20050927sfl00.html

Beobachter:Thomas Schröfl
Datum:27. 09. 2005
Ort:Djerba/Tunesien
Instrument:Pentax 75SDHF
Bedingungen:
Bericht:

Am 27.9. nachmittags trifft sich unser 15-köpfiges Team in Schwechat beim Check-in, wo zunächst für Wolfgang Weiser freie Kilos gesammelt werden, denn alleine seine astronomische Ausrüstung bringt ein Mehrfaches als die 20kg Freigepäck auf die Waage. Mit vereinten Kilos halten wir ihn spesenfrei. Dann verlassen wir ein trübes und kühles Wien in Erwartung von spätsommerlicher Wärme und Sonnenschein in Tunesien. Die ganze Strecke fliegen wir jedoch über einer nahezu geschlossenen Wolkendecke im strahlenden Sonnenschein; knapp über der Wolkendecke steht die 24 Tage alte Mondsichel.

Djerba begrüßt uns trüb aber warm und daran sollte sich auch in den nächsten Tagen nicht viel ändern; Wolken und Sonnenschein wechseln sich ab. Wie Robert dann später berichtet zeigte Bolam ein Saharatief, das sich tagelang über Tunesien eingedreht hat. Wir beziehen unser Quartier im Coralia Palm Beach Hotel und verbringen einen gemütlichen Abend mit einem reichhaltigen tunesischen Buffet.

Am nächsten Tag geht es mit Taxis in Djerbas Hauptstadt Houmt Souk zum Besichtigen, vor allem aber zum Einkaufen und Feilschen am Basar. Preise sind nicht echte Preise sondern lediglich Anfangspunkt langwieriger Verhandlungen und des langsamen Kennenlernens der orientalischen Händlermentalität. Vor allem bei Frauen verstehen es die Tunesier blendend ihren arabischen Charme in die Waagschale zu werfen, ein Feuerwerk an Lächeln, blitzenden Zähnen und tonnenweise Komplimente. Zähigkeit und Widerstandskraft sind aufs Äußerste gefordert, um ihnen nicht auf den Leim zu gehen.

Den Nachmittag und den ganzen nächsten Tag verbringen wir in der Hotelanlage am Strand, wo ich endlich dazukomme den Leserückstand an astronomischen Fachzeitungen langsam abzubauen, während sich die Damen vorwiegend der Sonne und dem Plaudern widmen. Gegen Abend, als sich die meisten schon vom Strand zurückgezogen haben, entsteht eine ganz eigenartige, von dunklen Wolken geprägte Stimmung.

Für den Freitag haben wir zwei Autos gemietet, um einen Tag lang Djerba zu erforschen. Erste Station ist die Krokodilfarm in der Nähe des Leuchtturms von Ras Tourgunnes. In einer erst vor wenigen Jahren errichteten prächtigen Anlage faulenzt eine Unzahl von Alligatoren in der Sonne vor sich hin. Die Damen mögen wohl an Handtaschen und Schuhe gedacht haben, ich hatte beim Anblick dieser urtümlichen Panzerechsen das Empfinden um Jahrmillionen in der Erdgeschichte zurückversetzt zu sein. Neben der Krokodilfarm besichtigen wir noch ein Heimatmuseum, das uns die heute außerhalb der größeren Städte noch immer übliche kärgliche Lebensweise der Tunesier in ihren Dörfern zeigt.

Nächste Station ist der 7km lange Römerdamm, heute mit aufgesetzten Pipelines verziert, der die Insel Djerba mit dem Festland verbindet. Kaum ausgestiegen sind wir bereits von einer Kinderschar umringt, die uns unbedingt Landkarten verkaufen will, obwohl fast jeder von uns sowieso schon eine in der Hand hält, aber das beeindruckt sie nicht wirklich.

Vom Römerdamm geht es mit einem kleinen Zwischenstop bei einer Töpferei weiter nach Guellala, wo sich ein volkskundliches Museum befindet, in dem in großer Zahl Szenen aus allen Lebensbereichen nachgestellt sind. Beeindruckend sind vor allem die Hochzeitsszenen. Heiraten ist im ländlichen Raum Tunesiens sichtlich ein tagelanges Fest für den gesamten Ort, verbunden mit einer Vielzahl an Ritualen. Ins Auge stechen die prachtvollen Hochzeitsgewänder, an denen sichtlich nicht gespart wird.

Wir beenden unsere kleine Rundreise mit einer Besichtigung der Synagoge in La Ghriba, deren nach einem blutigen Terroranschlag vor einigen Jahren zerstörter Teil wieder völlig instand gesetzt wurde.

In der späten Abenddämmerung habe ich noch Gelegenheit vom Balkon aus einen Blick auf die strahlende Venus zu werfen und sie auch im Bild festzuhalten.

Spät abends stößt dann Robert, der Organisator unserer Reise, aus Paris kommend zu uns, nachdem er aus beruflichen Gründen nicht von Anfang an dabei sein konnte. Der Samstag ist dann nochmals dem Faulenzen am Strand oder Pool gewidmet, bevor wir unser Wüstenabenteuer mit Sonnenfinsternis starten.

Am Sonntag um 7 Uhr früh geht es dann mit drei Toyota Land Cruisern mit tunesischen Chauffeuren los. Die erste Etappe bringt uns über den Römerdamm aufs Festland vorbei an Zarzis nach Medenine, wo uns die drei Fahrer ungeniert durch die Menschenmassen des Basars zur Hauptsehenswürdigkeit, den Ghorfas fahren, Bauten mit gewölbten, auf mehreren Stockwerken übereinanderstehenden Zellen, die in der Hauptsache als Speicher für Getreide dienten.

Der Weg führt uns weiter über Ksar Hedada, das 1997 als Kulisse für George Lucas Star Wars diente, in die ehemalige Legionärsstadt Tataouine, deren Markt vor allem für die Vielzahl der feilgebotenen Gewürze bekannt ist. Im Hotel Sangho knapp außerhalb der Stadt machen wir Mittagspause, umgeben von Palmen und einem herrlichen Pool. Die Hotellaunche enthält eine Bildersammlung mit Darstellungen des deutschen Afrikakorps.

Letzte Station, bevor es endgültig in die Sahara geht, ist das Berberdorf Chenini. An den terrassierten Bergflanken ziehen sich die Ghorfas und Höhlen empor. Hoch oben auf dem Bergsattel thront eine leuchtend weiße Moschee.

Die Fahrt nach Ksar Ghilane legen wir auf der +Rommelpiste+, benannt nach dem legendären deutschen Feldmarschall des Afrikafeldzuges. Die Stunde unserer tunesischen Fahrer ist gekommen. Gekonnt zeigen sie uns, was der Unterschied zwischen wirklichem Geländefahren und Geländefahrzeug als bloßes Statussymbol ist. Als zweites Fahrzeug in der Kolonne ist es leicht den richtigen Weg zu finden. Immer hinter der langen Staubfahne des Vordermannes her. Das Cafe des Nomades, eine primitive Hütte aus Palmenstroh, mitten in der Wüste, ist mit 19 Personen maßlos überfordert; schon bald geht der Cafe aus.

Viel Sand und Steine begleiten unseren weiteren Weg, doch noch immer gibt es in der Wüstenwildnis ein wenig Grün, das wenige hundert Meter vor Ksar Ghilane schlagartig endet und in beeindruckende Sanddünen übergeht, Sand so fein wie Puder, sodaß es nicht verwundert, wie gefährlich Sandstürme sein können und dieser Sand bei entsprechenden Wetterbedingungen mitunter bis nach Mitteleuropa kommen kann. Plötzlich fühlen wir uns auf den Mars versetzt. Wie aus den Aufnahmen der Mars Rover bekannt taucht linker Hand ein kleiner Staubteufel auf und zieht Sand in Spiralen gute 10 Meter in die Höhe. Schon in Sichtweite der Oase machen wir kurz halt bei einem Denkmal, einer weißen Säule, das an den siegreichen Verteidiger der Oase, den französischen General und Nationalhelden Leclerc erinnert, der bei Ksar Ghilane 1943 erfolgreich eine Panzertruppe Rommels zurückschlagen konnte, später mit seiner Truppe an der Befreiung von Paris und Straßbourg teilnahm und am 8.5.1945 bei Deutschlands Kapitulation vor dem Obersalzberg stand.

Die Oase +Ksar Ghilane+ ist der Standort wohl eines der ausgefallensten Hotels der Welt. Das +Pan Sea+ wurde mitten in die Sahara hineingebaut. In einem von Strohzäunen umgebenen Areal stehen etwa 60 Zelte, die +Hotelzimmer+. Dabei muß nicht auf den gewohnten Komfort verzichtet werden: Jedes Zelt hat eine Toilette, eine Dusche und auch Strom. Diese wohl einzigartige Kombination von Wüstenzelten und Luxus verleiht dem +Pan Sea+ sein unvergleichliches Flair. Restaurant und Bar sind feste Steinbauten. In der Mitte der Zeltstadt steht ein etwa 15 Meter hoher Turm. Von ihm aus ist ein herrlicher Blick in die Wüste möglich. Nachdem wir in diesem seltsamen Hotel Quartier bezogen haben, nützen einige die warme Quelle der Oase + ein artesischer Brunnen + zum Baden, wesentlich stimmungsvoller als im ebenfalls vorhandene großzügige Swimmingpool.

Eine zweite Gruppe, der auch ich angehöre, unternimmt kurz vor Sonnenuntergang einen Kamelritt in die Wüste. Die für uns Europäer völlig ungewohnte Dünenlandschaft nimmt einen gefangen. Im flachen Licht des Sonnenunterganges kann man sich an den jetzt so plastisch hervortretenden Strukturen kaum satt sehen. Von einem Dünenkamm aus beobachteten wir den Sonnenuntergang in Gesellschaft eines feschen Beduinen hoch zu Araberhengst + nicht leicht zu eruieren wer eitler war, Pferd oder Reiter + der natürlich nur auf eines aus war: Bakschisch für Foto, wahlweise Frau mit Pferd oder Sonnenuntergang mit Pferd. Meine nicht gerade geflüsterte Entscheidung +Sunset without horse+ hat ihm sichtlich nicht gefallen, denn sofort suchte er bei einer anderen Touristengruppe sein Glück.

Wieder zurück in der Oase ist es schon fast finster und Venus steht hell leuchtend knapp über den Dattelpalmen.

Als wir zum Abendessen aus dem Zelt treten, vermeine ich einen Augenblick lang wieder in Namibia zu sein: ein prächtig leuchtender Sternenhimmel durchzogen vom hellen Band der Milchstraße und das alles ohne richtige Dunkeladaption. Doch nach einigen Minuten ist es klar, Namibia gibt schon eine gute Magnitude mehr her. Nach dem Abendessen ist erstmals für diese Woche praktische Astronomie angesagt. Schnell ist der kleine Pentax 75 mit der Celestron GoTo-Plattform aufgebaut, eine handliche und leichte Reisekombination, und daneben die Nikon D70s am Stativ für ein paar nicht zu lange belichtete Sternfeld- und Milchstraßenaufnahmen. Mars steht noch zu tief, abgesehen vom lausigen Seeing, und zeigt daher kaum Details. Die Plejaden daneben sind hingegen das ideale Objekt für einen kleinen Richfield-Refraktor, ebenso wie h + chi Persei. M31 steht schon recht hoch und läßt bei diesem dunklen Himmel um einiges mehr als nur ihren hellen Kern erkennen. Bis gegen Mitternacht streife ich durch die Milchstraße, aber dann heißt es ins Bett um rechtzeitig zum Beginn der Sofi fertig zu sein. Mit einem kleinen Trick habe ich jedoch fürs Aufstehen vorgesorgt. Tunesien hat in der Nacht vom 1. auf den 2. Oktober von MESZ auf MEZ umgestellt, doch habe ich meine und meine innere Uhr auf MESZ gelassen und für mich findet alles eine Stunde später statt. Alle haben vor den Zelten aufgebaut und warten gespannt auf den ersten Kontakt. Dann ist es endlich soweit und die Sonnenfinsternis nimmt ihren Lauf. Knapp 1 + Stunden später kommt dann der Höhepunkt. Der Mond hat sich völlig vor die Sonne geschoben uns ist symmetrisch von dem dünnen strahlenden Sonnenkranz umgeben. Es ist inzwischen deutlich kühler geworden, ca. um 10 Grad, und obwohl es alles andere als dunkel ist, ist das Licht doch fahler und verbreitet eine ganz eigenartige Stimmung. Zwischen 3. und 4. Kontakt gehe ich etwas von der Oase weg, hinaus in die Sanddünen, wo sich diese Stimmung noch wesentlich verstärkt. Der Wüstensand, der im vollen Sonnenlicht tagsüber fast weiß zu sein scheint, leuchtet jetzt in vielen Gelb- und Orangetönen. Dabei springt mir plötzlich etwas Sonderbares ins Auge. In den Dünen sind kleine Strukturen im Bereich von maximal einigen 10cm, die zum verwechseln den Bildern der verschiedenen Mars-Orbiter ähneln. Fehlt beim Fotografieren eine Bezugsgröße, so ist es unmöglich zu sagen, ob es Zentimeter im Sand der Sahara oder Kilometer auf der Marsoberfläche sind. Doch allzu lange kann ich mich hier nicht aufhalten, denn der 4. Kontakt rückt immer näher. Ich beobachte ihn durchs Fernrohr und damit ich nicht immer wieder unterbrechen muß löste die Kamera dabei über die IR-Fernsteuerung aus; richtig bequem.

Gegen Mittag verlassen wir Ksar Ghilane und nehmen zunächst die Pipelinepiste, die recht gut asphaltiert ist. Doch nach einigen Kilometern müssen wir in Richtung Matmata abbiegen zum letzten Ritt über Schotter und Sand. Das alte Matmata der Berber besteht aus Wohnhöhlen, die in den lehmigen Berg gegraben sind, immer mehrere Räume um einen zentralen nach oben offenen Innenhof. In einer dieser Höhlen, jetzt ein Hotel und Restaurant verweilen wir zum Essen. Dann geht es durchs Gebirge zur Küste, wo wir mit der Fähre wieder nach Djerba übersetzen. Während der kurzen Überfahrt geht die Sonne unter und bestrahlt eine herrliche, hochstehende Wolkenstruktur.

Am nächsten Tag können wir noch einige Stunden in Ruhe in der Hotelanlage verbringen, bevor es nach Wien zurückgeht. Eine schöne Reise mit dem Höhepunkt der ringförmigen Sonnenfinsternis in einer Wüstenoase geht endgültig zu Ende. In den nächsten Monaten wir die praktische Astronomie zu Hause wohl mit Kälte, Nebel und Wolken zu kämpfen haben.